Atelier Demming/Rieken: „Einblicke“, 14. – 28. Oktober 2018

OFFENES ATELIER DEMMING/RIEKEN: Entwicklung von „mighty real“ von Di. 16.10. – Do. 20.10., täglich 14–22 Uhr:

Michael Rieken hat in der Kunsthalle Weseke die Arbeit “mighty real” aus der Vorgängerarbeit „Ich-Orgel“ von DEMMING/RIEKEN entwickelt. Während der Arbeitszeit des Künstlers war die Kunsthalle geöffnet und die Besucher eingeladen, dem künstlerischen Arbeitsprozess zu folgen.

Ausgehend von einer Idee der Idee einer Art „Lichtmonitors mit synchronisiertem Klang“ von Stefan Demming schuf das Atelier Demming/Rieken für den Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin die interaktive Klang-/Lichtinstallation „Ich Orgel“. Sie bestand aus 42 auf einem Tisch montierten Glühbirnen und 6 Lautsprechern. Über die Lautsprecher wurden bearbeitete Fragmente von Aufnahmen der Orgelkompositionen von J. S. Bach wiedergegeben. Die Besucher der Ausstellung zum Kirchentag in der Zwinglikirche konnten mit ihren Körperbewegungen die Mixtur der bearbeiten Klänge und das Licht des Glühbirnenfelds beeinflussen.

Für zwei Kirchenkonzerte 2017 in den Niederlanden wurde die Klang-/Lichtinstallation von Demming/Rieken in eine Performance-Version umgearbeitet.

Jetzt wird  Michael Rieken  die Arbeit  für 3 Ausstellungen in Süddeutschland 2018/19 in eine generative Klang-/Lichtinstallation mit dem Titel „mighty real“ umarbeiten. Diese Version von „Ich Orgel“ unterscheidet sich von den beiden vorhergehenden Versionen dadurch, dass die 42 Glühbirnen nicht mehr auf einem Tisch montiert werden, sondern das ganze Ensemble aus Glühbirnen, Lautsprechern, Dimmerpacks, Verstärker, Computer und der dazugehörigen umfangreichen Verkabelung als Bodenarbeit ausgeführt wird. Die Steuerung der 42 Glühbirnen und der 6 Audiokanäle erfolgt über eine generative, programmierte Komposition.

Konzept “mighty real”

Seit 2017 arbeiten Stefan Demming und Michael Rieken gemeinsam an ihrem Projekt “Ich Orgel”. “Ich-Orgel” ist eine interaktive Klang- und Lichtinstallation oder ein Werkzeug/Instrument für eine audiovisuelle Performance. “Ich Orgel” erzeugt eine Interpretation der Orgelmusik von J.S. Bach und verwendet dafür kurze Loops von Bach-Orgelmusik, aufgenommen 1956 von Jeanne Demessieux. Diese Loops durchlaufen verschiedene Arten der elektronischen Verarbeitung und Verfremdung und lassen das Ergebnis aus 6 verschiedenen Lautsprechern erklingen. 42 grosse Glühbirnen reagieren auch auf die Gesten der Besucher der Installation oder auf den Sound selbst in der Performance-Version.

Die interaktive Installationsversion wurde vom 25. bis zum 27. Mai 2017 in der Zwinglikirche in Berlin gezeigt. Die Performances fanden am 15. September 2017 in der St. Pancratius Kerk in Haaksbergen / NL und am 23. September 2017 in der Stiftskerk, Weerselo / NL statt.

Für die Ausstellungen „Was ist wahr“ anlässlich des Kunstpreises der Erzdiözese Freiburg 2019 planen wir eine weitere Version der Werkreihe „Ich Orgel“. Diese Version von „Ich Orgel“ unterscheidet sich von den beiden vorhergehenden Versionen dadurch, dass die 42 Glühbirnen nicht mehr auf einem Tisch montiert werden, sondern das ganze Ensemble aus Glühbirnen, Lautsprechern, Dimmerpacks, Verstärker, Computer und der dazugehörigen umfangreichen Verkabelung als Bodenarbeit ausgeführt wird. Die Steuerung der 42 Glühbirnen und der 6 Audiokanäle erfolgt über eine generative, programmierte Komposition, die neben den loops mit Fragmenten der Orgelmusik Johann Sebastian Bachs, auch weitere Loops mit Fragmenten der gesamten Orgelliteratur von Buxtehude bis Messiaen enthält. Die loops werden dabei durch 6 unterschiedliche Kanäle mit verschiedenen Bearbeitungen (Verzerrer, Filter, Echo, Granularsynthese, Spektralfilter) des Audio-Signals geführt und münden in 6 unterschiedliche Lautsprecher. Die generative Steuerung des Klangverlaufs wird so gesteuert, daß es zu immer neuen Klangkonstellationen mit grossen Passagen der Stille oder leisesten Klanggeschehens kommt. Demgegenüber stehen Passagen minimaler Entwicklungen des Klangs zu komplexen Figuren und Flächen. Die Programmierung der Dimmer für die Glühbirnen führt mit Prinzipien – analog zur Steuerung des Klangs, aber mit eigenständigem Verlauf – zu ständig sich verändernden Lichtkonstellationen.

Der Titel dieser Installation „mighty real“ entstammt dem Song “You Make Me Feel (Mighty Real)” des Disco-Sängers Sylvester von 1978. Der Song basiert auf einem Gospel-Song den der Produzent Patrick Cowley im Tempo etwas anzog, das ganze Arrangement etwas minimalisierte und Elemente der elektronischen Musik wie Synthesizer und drum machines hinzufügte. Daraus wurde eine der wegweisenden tracks der Disco-Musik und Vorläufer von House- und Techno-Musik. So finden sich ausgehend von der Gospel-Musik auch in der Geschichte der elektronischen Tanzmusik mit ihren hypnotischen beats und sounds viele spirituelle Momente wieder.

Die Geschichte der europäischen Kirchenmusik und vornehmlich der Orgelmusik kann neben der offen- sichtlichen repräsentativen Funktion in ihren jeweiligen Werken auch als eine Geschichte der spirituellen Suche verstanden werden.

Diese beiden hier kurz aufgezeigten Linien im Verständnis verschiedener Musiktraditionen versuchen wir in unserer Arbeit „mighty real“ kurzzuschliessen. Kurze Elemente (loops) europäischer Kirchen/Orgelmusik von Buxtehude bis Messiaen bearbeiten wir mit den Produktionsmitteln heutiger elektronischer Tanzmusik. Das Arrangement der minimalisierten und bearbeiteten Klänge geschieht in Echtzeit durch unsere generative Steuerung. Die Steuerung des Lichts reflektiert auf eigenständige Art und Weise diese generativen „Echtzeit-Kompositionsvorgänge“. Musik und Licht agieren autonom voneinander, aber nach den gleichen generativen Prinzipien, so dass es zu Wechselwirkungen der Klang- und Lichtebene kommen kann.

Den Bezug zum Ausstellungstitel “was ist wahr” sehen wir vor allem in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen der Spiritualität als eine Form der Wahrheitssuche, die über verschiedenen Religionen und auch ausserhalb religiöser Zusammenhänge zu finden sind.